In den letzten Monaten hat ein Begriff die deutsche Jugendkultur und die öffentliche Diskussion gleichermaßen erfasst: „Talahon“. Was als viraler Trend auf TikTok begann, hat sich zu einem gesellschaftlichen Phänomen entwickelt, das Fragen zu Identität, Migration und gesellschaftlichen Werten aufwirft. Doch was steckt wirklich hinter diesem Begriff, und warum sorgt er für so viel Aufsehen?
Ursprung und Bedeutung des Begriffs
„Talahon“ leitet sich vom arabischen Ausdruck „Ta’al La’hon“ ab, was so viel bedeutet wie „Komm mal her“. Der Begriff fand seinen Weg in die deutsche Jugendsprache durch den kurdisch-syrischen Rapper Hassan aus Hagen, der 2022 den Song „TA3AL LAHON“ veröffentlichte. Eine Zeile daraus – „Tala’ hon, ich geb dir ein’ Stich, ich bin der Patron“ – wurde viral und löste den Trend aus .(Deutsche Welle, Wikipedia)
Auf TikTok inszenieren sich junge Männer, oft mit Migrationshintergrund, im „Talahon“-Stil: Sie tragen Markenimitate, Bauchtaschen, Baseballcaps und präsentieren sich mit aggressiven Posen wie Schattenboxen oder Liegestützen. Diese Darstellungen sind meist ironisch oder selbstironisch gemeint, spiegeln jedoch auch ein bestimmtes Selbstverständnis wider .(Wikipedia, Deutschlandfunk Nova)
Die Spaltung der Gesellschaft
Der „Talahon“-Trend polarisiert die Gesellschaft. Während einige Jugendliche den Begriff als Ausdruck ihrer Identität und Zugehörigkeit zu einer bestimmten Peergroup verstehen, wird er von anderen als problematisch und stereotype Verstärkend wahrgenommen. Die Darstellung von Machismo, Gewaltverherrlichung und einem veralteten Frauenbild in vielen „Talahon“-Videos stößt auf Kritik. So konstatiert der Westdeutsche Rundfunk, dass einige Äußerungen der jungen Männer ein problematisches Frauenbild reproduzierten: „Eine (brauchst) du zum Kochen, eine zum Putzen“ .(Wikipedia, focus.de)
Besonders heftig wird die Diskussion, wenn der Begriff „Talahon“ in rechtspopulistischen Kreisen verwendet wird. Die AfD hat die „Talahons“ als Feindbild identifiziert und fordert die Ausweisung junger arabischstämmiger Männer . Diese Instrumentalisierung des Begriffs führt zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft und verstärkt Ressentiments gegenüber Migranten.(Deutsche Welle)
Selbstinszenierung oder Ausdruck von Frustration?
Psychologen sehen im „Talahon“-Trend eine Reaktion auf gesellschaftliche Missstände. Lothar Janssen, Psychologe und Psychotherapeut, erklärt, dass viele Jugendliche in einer Welt, die immer orientierungsloser wird, nach Klarheit und Einfachheit suchen. „Talahon“-Videos seien nichts anderes als „verzweifelte Reparaturversuche“ .(NDR, Deutsche Welle, focus.de)
Für viele Jugendliche, die sich als „Talahons“ bezeichnen, bietet die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe ein Gefühl von Zusammenhalt und Anerkennung. In einer Gesellschaft, in der sie sich oft marginalisiert fühlen, stellt der „Talahon“-Trend eine Möglichkeit dar, sich sichtbar zu machen und Einfluss zu nehmen.(Tagesspiegel)
Kritik und mediale Rezeption
Die mediale Berichterstattung über den „Talahon“-Trend ist überwiegend negativ. Die „Bild“-Zeitung bezeichnete die Selbstinszenierung junger Männer als „widerlichen TikTok-Trend“ und warf ihnen vor, ein frauenfeindliches und gewaltverherrlichendes Weltbild zu verbreiten . Auch der Westdeutsche Rundfunk kritisierte die Darstellung eines problematischen Frauenbildes in vielen „Talahon“-Videos .(Wikipedia, Deutsche Welle)
Diese einseitige Berichterstattung wird von einigen Experten als problematisch angesehen. Jutta Brennauer von den Neuen Deutschen Medienmachern erklärt, dass der Ursprung des Begriffs „Talahon“ eine rassistische Fremdbezeichnung war, die dann auf TikTok getrendet ist . Die mediale Fokussierung auf die negativen Aspekte des „Talahon“-Trends verstärke lediglich bestehende Vorurteile gegenüber Migranten und verhindere eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Phänomen.(NDR)
Fazit
Der „Talahon“-Trend ist mehr als nur ein viraler TikTok-Hype. Er spiegelt tiefgreifende gesellschaftliche Fragen wider: Wie gehen wir mit Migration und Integration um? Welche Identitäten entwickeln Jugendliche in einer pluralistischen Gesellschaft? Und wie beeinflussen soziale Medien unser Selbstverständnis und unsere Wahrnehmung von anderen?
Anstatt den „Talahon“-Trend ausschließlich als Problem zu betrachten, sollte die Gesellschaft die dahinterstehenden Ursachen verstehen und Lösungen entwickeln, die auf Dialog, Verständnis und Integration setzen. Nur so kann eine Spaltung überwunden und ein respektvolles Miteinander gefördert werden.